Gleich zu Beginn des spannenden Vortrags macht der aus dem hohen Norden stammende Marktforscher und Design Thinking Coach deutlich: „Durch die Corona-Pandemie hat Design Thinking ein neues Level erreicht.“
Design Thinking ist ein Ansatz, der zum Lösen von Problemen und zur Entwicklung neuer Ideen führen soll. Er hat sich als eine Methode zur Bearbeitung umfangreicher Problemstellungen etabliert. Der Ansatz gliedert sich in zwei Phasen auf: zum ersten die Problemanalyse und zum zweiten die Lösungsfindung. Bis zur Lösung werden sechs Schritte unternommen. Die erste Phase nennt Heiner Junker, Managing Partner, produkt+markt marketing research und Board Member World Independent Network of Market Research, „Understand“. Hier wird das Problem aus Sicht des Unternehmens bzw. der Organisation beleuchtet. In der zweiten Phase, „Empathize“, holt man den User mit ins Boot, bedient sich also des User Insights. Anschließend, während des „Point of View“ führt man beide Sichtweisen zusammen und geht beim „Ideate“ in den kreativen Prozess, um vorläufige Lösungsansätze zu generieren. Die vielversprechendsten Ideen werden in Phase fünf in einen „Prototyp“ überführt. Am Ende des Prozesses steht die Testphase. Wobei die Durchführung nicht linear ist bzw. sein muss.
Scheitern erwünscht
Der Vorteil von Design Thinkink ist, dass Ideen sehr schnell in der Erstellung eines Prototypen münden. Ein etwaiges Scheitern wird früh sichtbar. So wird deutlich, ob die Idee taugt oder ob und an welchen Stellen Optimierungsbedarf besteht. Ein weiterer Vorzug von Design Thinking ist, dass die Teilnehmenden ergebnisorientiert arbeiten und genau auf das definierte Problem fokussiert sind. „Die Lösung liegt in den Menschen“, betont Heiner Junker, der auch Coaches coacht. Während des Workshops sind die einzelnen Phasen zeitlich genau getaktet. Darauf achten die Coaches sehr genau.
Im virtuellen Raum muss Design Thinking anders angegangen werden als zuvor in Präsenz. Da sitzen die Teilnehmer zu Hause vor ihrem Laptop und es gibt keinen Raum, der mit Post-its, auf denen Ideen festgehalten werden, übersät ist. Aber dafür haben die virtuellen White Boards den Vorteil, dass sich daraus ein PDF generieren lässt. So kann der Coach den Teilnehmern die Ideenvielfalt zuschicken.
„Im virtuellen Raum stellt sich die Frage, wie motiviere ich das Team? Wie bekomme ich es in einen kreativen Modus“, erklärt Heiner Junker. Denn die Euphorie, die häufig beim Ideen schmieden aufkommt, ist nicht auf den virtuellen Raum übertragbar. „Dabei ist die Euphorie aber nicht immer zielführend“, so der Design-Thinking-Experte. „Manchmal werden in der Emotionalität, die beim Teamworken aufkommt, Ideen nicht ausgereizt und als zu gut bewertet. Beim virtuellen Design Thinking steht die individuelle Kreativität im Vordergrund.“ Der Coach ist hierbei gefragt, die Teilnehmer zu motivieren und trotz der Distanz einen Teamgeist zu entfachen. Dazu gebe es ein paar einfache Spiele, die auch das private Umfeld mit einbeziehen können. „Wie bei der virtuellen Führung gibt man dem Team beim virtuellen Design Thinking viel Verantwortung. Der Coach muss hierbei für Orientierung sorgen“, macht Heiner Junker deutlich. Anders als Präsenz-Workshops sollte das Team im virtuellen Raum nicht sechs Stunden am Stück arbeiten. Pausen seien auch für die Ideenfindung gut. Denn der Geist muss ein paar Tage ruhen, bis der Geistesblitz mit Lösungsideen kommt.
Sehr wichtig beim virtuellen Design Thinking ist, dass die Technik mitspielt. Vor dem virtuellen Testlauf empfiehlt sich ein Testlauf. Auch Überlegungen zu einem zweiten, alternativen Internetzugang spielen eine Rolle sowie die Bereitstellung eines „Technikers on demand“. Es sei generell gut, etwas zusätzliche Zeit für Technikfragen einzuplanen.
Insgesamt kommt Heiner Junker zu dem Schluss, dass das virtuelle Design Thinking mehr Vor- denn Nachteile mit sich bringt. In Präsenz sei es zwar leichter, den Teamgeist zu entfachen. Auch das Einfühlen in den User könne unter Umständen besser funktionieren. Aber den ganz großen Vorteil sieht der Design Thinking Coach in der permanenten User-Integration. User Insights bzw. Feedbacks könnten virtuell viel besser und auch häufiger eingebracht werden, was letztlich zu einer besseren Qualität der Lösungen führt. Denn das erklärte Ziel von Design Thinking ist es, Lösungen zu finden, die aus Anwendersicht überzeugend sind. Ganz auf Präsenz will Heiner Junker dennoch nicht verzichten. Aber eine Verbindung des persönlichen und des virtuellen Ansatzes hält er für äußerst vielversprechend.
Text: Eike Birck
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