To be continued… Unternehmensnachfolge in der ostwestfälischen Mittelstandspraxis

v.l.n.r.: Nils Hensdiek (Hilti Deutschland AG), Nils Wigginghaus (BRANDI Rechtsanwälte Partnerschaft mbB), Martina Kaiser (NATIVES GmbH & Co. KG), Sabine Schoner (Kultur Räume Gütersloh) und Fabian Kauczok (Deutsche Bank AG) Foto: Sarah Jonek
09. September 2024
NATIVES GmbH & Co. KG (Ravensberger Str. 12a, 33602 Bielefeld)

Unternehmensnachfolge in der ostwestfälischen Mittelstandspraxis

To be continued …

(Bielefeld, 9. September 2024) Nach dem Event ist vor dem Event. „Gerade erst ist die große Preisverleihung der Marketing OWL über die Bühne gegangen und schon geht es weiter“, sagt MC-Programmplaner Nils Hensdiek zur Begrüßung der Mitglieder und Gäste des Marketing Clubs Ostwestfalen-Lippe. In der schönen Location „Natives“ am Rande der Bielefelder City berichtet er, dass sich künftig Kristina Herrmann ehrenamtlich um Inhalte kümmern wird, die insbesondere Frauen in Unternehmen angehen. Und auch die Marketing Pioniere sind wieder am Start. „Die Veranstaltungsplanung für das kommende Jahr nimmt Form an“, sagt Nils Hensdiek. „Wer also eine gute Idee für ein spannendes, informatives und interaktives Event hat, kann sich gern melden.“

Spannend, informativ und interaktiv – diesen Faden nimmt Vorstandsmitglied Fabian Kauczok gern auf und stellt den Referenten des Abends vor. Dr. Nils Wigginghaus ist seit fast 20 Jahren als Rechtsanwalt und Notar bei BRANDI Rechtsanwälte in Gütersloh tätig sowie Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht und berät Unternehmen bei Transaktionen. Er ist Lehrbeauftragter der Exzellenz-Unis in Berlin und Konstanz. Dass er seiner Heimat sehr verbunden ist, kommt auch in seinem Engagement als Initiator der Vesperkirchenbewegung in OWL zum Ausdruck. „Wenn es um die Unternehmensnachfolge geht: Sind da eher Juristen oder Familientherapeuten gefragt?“ Mit dieser Frage übergibt Fabian Kauczok das Wort an Dr. Nils Wigginghaus, der lachend erwidert: „Familientherapeut ist etwas zu hoch gegriffen. Das Heilen ist nicht mein Metier, aber Familienberatung, das ist neben allen rechtlichen, steuerlichen, finanziellen und emotionalen Fragestellungen ein großes Thema.“

Wobei die juristischen Faktoren in puncto Nachfolge seiner Erfahrung nach eher einen Bruchteil ausmachen. Viele Unternehmer und Freiberufler machen sich erst sehr spät Gedanken zu einer Nachfolge. „Wenn ich um die 50 bin, habe ich ich ja noch 15 bis 17 Jahre Zeit“, schildert Nils Wigginghaus die Haltung, die ihm in seiner Praxis häufig begegnet. Manchmal kann es aber von Vorteil sein, wenn ein Unternehmen verkauft werden soll, die Rechtsform zu überdenken. Wenn man beispielsweise eine GmbH in eine möglicherweise attraktivere GmbH und Co. KG umwandelt. Dann ist es besser, wenn die neue Gesellschaftsform schon ein paar Jahre vor dem Verkauf existiert.

 

Nachfolger dringend gesucht

In den nächsten fünf Jahren werden voraussichtlich rund 200.000 Unternehmen eine Nachfolge suchen. Ein überwiegender Teil (45 Prozent) aus dem Bereich Dienstleistung, gefolgt von Produktion (26 Prozent) und Handel (17 Prozent). Alter oder auch ein plötzlicher Todesfall machen die Frage der Nachfolge dringend. „Für Unternehmer ist es unerlässlich, eine Vorsorgevollmacht aufzusetzen, weil diese auch über den Tod hinaus Gültigkeit besitzt“, unterstreicht der Fachanwalt, der vielfach in Sachen Erbrecht berät.

In weniger als 50 Prozent wird die Nachfolge in der Familie geregelt. In etwa 20 Prozent der Fälle wird die Firma an Dritte veräußert, Management-Buy-in. Eine weitere Möglichkeit ist es, wenn das bereits vorhandene Management das Unternehmen kauft, Management-Buy-out. Sollte hierbei die Übergabe scheitern, ist das äußerst ungünstig, denn dann gibt es weder Nachfolger noch Management. 

Warum aber ist eine familiäre Nachfolge nur bei der Hälfte der übergabewilligen Unternehmen eine Option? Liegt es an der Gen Z? Die Ursachen sind vielfältig. Zum einen „fehlt manchmal die Möhre vor der Nase“, wie es Nils Wigginghaus formuliert. Denn vielleicht haben die Eltern als erfolgreiche Unternehmer dem Nachwuchs aus steuerlichen Gründen bereits ein Haus überschrieben. Und einige sind sicherlich intellektuell in der Lage die Führung eines Unternehmens zu übernehmen, aber vielen ist die Arbeitsbelastung zu hoch. Ein 15-Stunden-Tag ist für sie nicht erstrebenswert. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Start-up handelt oder ob ein Unternehmen übernommen wird, die Belastung bleibt gleich.

„Wichtig ist es, frühzeitig miteinander zu sprechen. Man könnte eine Familienverfassung festschreiben, die ist zwar rechtlich nicht bindend, hat aber eine psychologische und emotionale Wirkung“, empfiehlt der Rechtsexperte, der davon abrät, sich in großer Runde zusammenzusetzen. „Ein Kind fühlt sich immer benachteiligt“, weiß er aus Erfahrung. Dieser oft emotionale Prozess kann durch einen Coach bzw. Supervisor begleitet werden. „Wichtig ist es, dass sich der Übergabewillige die Frage stellt, wie halte ich es mit der Diversität? Wenn ich ältere, mittlere und junge Mitarbeitende beschäftige, habe ich echte Power im Unternehmen.“

 

Unternehmensbewertung

Steuern, Recht, Finanzen, Psychologie – all diese Faktoren gilt es zu berücksichtigen. Zu den emotionalen Aspekten zählt das sogenannte Tierpflegersyndrom: „Der frisst nur von mir“, erklärt der Rechtsanwalt den Begriff. Besonders bei Freiberuflern wie Ärzten oder in seinem eigenen Berufsstand ist die Meinung weit verbreitet. Der übergabewillige Partner ist jedoch sehr wohl ersetzbar. Etwa jede zweite Übergabe scheitert. Nicht selten deshalb, weil der Senior eines Unternehmens den schleichenden Kontrollverlust, der für eine Übergabe nötig ist, nicht zulässt.

Eine andere Frage betrifft den Zeitpunkt der Übergabe. Am vorteilhaftesten ist ein Verkauf, wenn es gerade gut läuft im Unternehmen. Das fällt vielen Unternehmern schwer, weil die Arbeit dann naturgemäß Spaß macht. In puncto Finanzen ist es sinnvoll, einen Berater hinzuziehen – auch um zu eruieren, auf welcher Basis Banken Entscheidungen treffen. Welche Unternehmensstruktur würde die Bank überhaupt begleiten? Ein weiterer Aspekt ist die Unternehmensbewertung. Welchen Preis kann ich auf dem Markt erzielen? „Wir haben einen Käufermarkt“, betont Nils Wigginghaus, der es oft erlebt, dass die Kaufpreiserwartungen überzogen sind. Viele bauen darauf, z. B. durch den Verkauf einer Arztpraxis fürs Alter ausgesorgt zu haben. Dabei sind die Gerätschaften (Behandlungsstuhl, Röntgengerät etc.) veraltet und Räumlichkeiten oft nur gemietet. Ein jüngerer Nachfolger möchte aber mit modernem Equipment und digitalisiert arbeiten. Eine Möglichkeit wäre, einen potenziellen Nachfolger frühzeitig mit an Bord zu holen, gemeinsam die Praxis zu modernisieren und sich allmählich zurückzuziehen. Übergabewillige sollten rechtzeitig ihr Unternehmen selbst auf den Prüfstand stellen, denn ein Käufer wird eine Due Diligence vornehmen. Und da ist es besser, selbst schon etwaige Mängel weit im Vorfeld zu beseitigen.

Auch in der Familie gibt es Kaufmodelle, aber häufig handelt es sich um Schenkungen. Bei einem Todesfall gilt es, das Erbrecht bzw. die Aufteilung von Anteilen gemäß der Pflichtteile im Blick zu haben. Auch das Güterrecht bei Ehepartnern gilt es zu berücksichtigen. So braucht der Unternehmer oder die Unternehmerin immer auch die Unterschrift des/der PartnerIn, wenn die Firma verkauft werden soll. Bei einer Schenkung an ein Kind kann es sinnvoll sein, darauf zu bestehen, dass der Beschenke mit dem Partner einen Ehevertrag aufsetzt, wenn das Unternehmen in der Familie bleiben soll.

Die IHK bietet nicht nur regelmäßig Nachfolgeberatungen an, bei der sich auch Nils Wigginghaus engagiert, sondern betreibt auch eine nicht-öffentliche Plattform, um Übergabewillige und Käufer zusammenzubringen. Der spannende Vortrag lieferte Stoff für viele weitere Fragen, die beim anschließenden Get-together weiter erörtert wurden.

Text: Eike Birck

Fotos: Sarah Jonek

Bildergalerie
Mitglieder-Login

Geben Sie Ihren Benutzernamen und Ihr Passwort ein, um sich an der Website anzumelden