(Bielefeld, 8. April 2024) So manch einer mag sich bei der Ankündigung der Veranstaltung gefragt haben, was Rockmusik mit Teamführung zu tun hat. Das Interesse, dieser Frage im Pioneers Space nachzugehen, war jedenfalls groß. MC-Präsidentin Sabine Schoner und Programmverantwortlicher Nils Hensdiek begrüßten bei fast schon sommerlichen Temperaturen die zahlreichen Mitglieder und Gäste des Marketing Clubs Ostwestfalen-Lippe – und selbstverständlich den Speaker des Abends.
Walter Irion steht als Musiker seit rund 40 Jahren auf der Bühne, leitet eine Event-Agentur und ist als Coach aktiv. Mit zahlreichen Beispielen aus dem Musik-Business verdeutlicht er, wie die Führung von Teams gelingen kann. Wichtig ist, dass jeder seinen Platz findet und das tut, was er am besten kann. Wie bei den Rolling Stones. Die Frontleute Mick Jagger und Keith Richards kennt jedes Kind, heimlicher Chef und Motor der Band war jedoch Schlagzeuger Charlie Watts. Ein Rollentausch auf der Bühne hätte jedoch nicht funktioniert. Jagger und Richards machten die Show und Watts agierte im Hintergrund – und das mit einem Wahnsinnserfolg. „Damit ein Team erfolgreich ist, muss jeder das richtige Instrument spielen“, betont Walter Irion. Und das gilt nicht nur für die Musiker, sondern für die komplette an einer Show beteiligten Crew: von Licht- und Tontechniker über Kabelträger, Caterer imd vielen mehr. Wenn beispielsweise Andrea Berg auf Tour geht, liegt es in den Händen von etwa 80 Menschen, dass das Konzert so über die Bühne geht, wie es soll. Dabei kennt die Künstlerin alle Crew-Mitglieder mit Namen und Funktion. Das hat etwas mit Wertschätzung zu tun.
Ein eingeschworenes Team
Die gesamte Crew zusammenzuhalten und dafür zu sorgen, dass alle an einem Strang ziehen, das ist auch Udo Lindenberg in seiner 50-jährigen Karriere mit seinem Panikorchester gelungen. Eigentlich war Udo Lindenberg ein herausragender Schlagzeuger, so saß er bei der berühmten Tatort-Melodie von Klaus Doldinger an den Drums und schrieb parallel eigene Songs. Aber da sich niemand fand, der die Songs im Sinne Lindenbergs interpretieren konnte, wechselte Udo die Positionen und wurde Sänger. „Es ist wichtig, immer nach verborgenen Talenten Ausschau zu halten“, sagt Walter Irion. „Nicht jeder, der etwas gut kann, macht auch das, was er am besten kann. Es gilt, jede Position bestmöglich zu besetzen. Das sollte das Bestreben jeder Führungskraft sein. Wenn mein Team glänzt, dann lässt mich als Führungskraft das auch in einem guten Licht dastehen.“
Wichtig ist es, dass man sich auf seine Leute verlassen kann. Wenn ein Gitarrist zum Solo ansetzt und der Tontechniker den Einsatz verpasst, „verhungert“ der Musiker auf der Bühne. Und bei der Zusammensetzung eines Teams muss das Menschliche passen. „Bei einer Tournee ist die Crew oft wochen- oder sogar monatelang zusammen unterwegs. Da müssen die Menschen, die so eng zusammenarbeiten, gut ausgewählt werden“, unterstreicht der erfahrene Musiker. Dazu muss man sehr viele Fragen stellen, um herauszufinden, wie jemand tickt. Entscheidend ist es, das Arbeits- und Lebensziel in Harmonie zu bringen. Wer sich nicht mit seiner Arbeit identifiziert, wird das Lebensziel immer an die erste Stelle rücken.“ Und auch die Bezahlung muss stimmen. „Wer nur mit Bananen bezahlt, darf sich nicht wundern, wenn er nur mit Affen zu tun hat.“
Das Team zum Klingen bringen
Welche Fehler man bei der Führung eines Teams machen kann, verdeutlicht Walter Irion sehr praxisnah. Der Coach bittet fünf Freiwillige zu sich, drückt ihnen Rassel, Triangel und Co. in die Hand, gibt einen Takt vor und sagt, wer welche Takte schlagen soll. Das Ergebnis: Konfusion auf der Bühne und eher Missklang denn Musik. „Was hätte ich tun sollen, damit es funktioniert“, stellt er die rhetorische Frage. „Ich hätte fragen sollen, wer musikaffin ist und gern auf die Bühne kommen möchte. Anschließend hätten sich die Freiwilligen ihr Instrument selbst aussuchen sollen. Und ganz wichtig wäre ein gutes Briefing gewesen, damit jeder genau gewusst hätte, welchen Takt er oder sie wann schlagen sollte.“ Anschließend gab Walter Irion eine gute Anleitung und gleich im ersten Versuch klang das spontan auf die Beine gestellte MC-Orchester gar nicht so schlecht.
Mit Blick auf die Ergebnisse einer aktuellen Gallup-Studie wird eine gut durchdachte Teamzusammensetzung und -führung immer bedeutsamer. 69 Prozent der Befragten gaben an, vornehmlich Dienst nach Vorschrift zu verrichten, weitere 17 Prozent haben innerlich schon gekündigt und nur 14 Prozent machen ihren Job richtig gerne. Allein der wirtschaftliche Schaden in Anbetracht von 86 Prozent der Mitarbeitenden, die keine Lust auf ihre Arbeit haben, wird auf etwa 114 Milliarden Euro beziffert. Für die Arbeitnehmer selbst besteht die Gefahr eines Burn-outs.
Zudem besteht eine frappierende Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung von Führungskräften und die Wahrnehmung deren Leistung durch die Mitarbeitenden. Laut einer Untersuchung des Forsa-Instituts denken 96 Prozent der befragten Führungskräfte, dass sie einen guten Job machen, während 84 Prozent der Arbeitnehmer in der Gallup-Studie angaben, dass ihr Vorgesetzter seine Arbeit nicht gut macht. Wichtig ist, dass Missstände angesprochen werden, was den Mut der Arbeitnehmer und eine Offenheit und Selbstreflexion der Führungskraft voraussetzt.
Zum Ende des unterhaltsamen Vortrag fasst Walter Irion noch mal die acht wichtigsten Punkte der Teamführung zusammen:
1. Stelle sicher, dass jeder in deinem Team das richtige Instrument spielt und genau das tut, was er am besten kann.
2. Halte Ausschau nach verborgenen Talenten. Nicht immer ist das, was jemand gut kann auch das, was er am besten kann.
3. Stelle sicher, dass jeder in deinem Team glänzen kann bzw. regelmäßig die Chance erhält, glänzen zu können.
4. Schaffe ein Balance zwischen Anleitung und Selbstentfaltung. Freie Entfaltung/Kreativität findet nicht in einem eng geschnürten Korsett statt.
5. Wertschätze, respektiere, vertraue – sei Vorbild.
6. Achte darauf, dass alle das gleiche Ziel verfolgen.
7. Sorge dafür, dass jede Position bestmöglich besetzt ist.
8. Achte auf das Gleichgewicht zwischen Lebens- und Arbeitsziel.
Text: Eike Birck
Fotos: Susi Freitag
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