Papeterie, Kalender, Schreibtischunterlagen, Deko – das Sortiment umfasst hochwertige und mit Liebe kreierte Artikel. Die Erfolgsgeschichte von „Heinen Lovebrand“ wäre eigentlich hollywoodreif. Der Jura-Student (Niklas) lernt die attraktive Fotografin (Joana) in einem Fotogeschäft kennen, weil er ein Bewerbungsfoto für ein ungeliebtes Praktikum in der Abteilung Konzernrecht und Compliance einer großen Bausparkasse braucht. Joana ist im dritten Ausbildungsjahr, nachdem sie mit 16 die Schule abgebrochen hatte. Zu dieser Zeit führt sie einen Blog mit dem Namen „odernichtoderdoch“ – eigentlich nur für sich. Als Joana mit ihrem Blog mit ihren Selbstporträts und den authentischen und ehrlichen Inhalten online ging, konnten sich sehr viele junge Mädchen damit identifizieren. Schnell war sie in der Szene bekannt und brachte es auf rund 100.000 Follower. Es kamen erste Anfragen von Modeunternehmen. Joana und Niklas waren somit Influencer, bevor dieser Begriff allgemein bekannt wurde.
Vom Blog zum Produkt
„Joana ist unglaublich kreativ. Sie arbeitet aus dem Bauch heraus und macht keine Marktanalysen“, charakterisiert Niklas seine Frau. Als Joana eine Schreibtischunterlage gestaltete, bestellte sie einfach mal 50 Exemplare davon und stellte sie ihrer Followerschaft vor. So wurde allmählich aus dem Blog ein Produkt. „Wir hatten übrigens vergessen die AGBs reinzusetzen“, erinnert sich Niklas Heinen lachend. „In den Anfängen war es sehr oft so, dass wir erst an das Produkt und den Verkauf gedacht und dann erst die Prozesse und Strukturen nachgebaut haben.“
Als wesentlichen Faktor für den Erfolg des Unternehmens macht Niklas Heinen Werte und Kommunikation – erst im Blog, später auch auf Instagram – aus, wie er am Beispiel des ersten Kalenders verdeutlicht. Das Besondere an dem Kalender, der auch heute zu den Topsellern gehört, sind die 80 inhaltlich gestalteten Seiten. Da gibt es Songs für Regentage, Netflix-Serien, die man immer schon mal gucken wollte oder Dinge, die man verliehen hat.
Der erste Kalender wurde an die Follower verkauft, bevor sie den Artikel überhaupt gesehen haben. 1.200 Exemplare in einer Nacht zum Preis von 28 Euro. „Rückblickend war das natürlich grandios. Die Zahlungen gingen direkt über PayPal und das Konto war gut gefüllt.“
Auf und Abs
Doch dann kam die Lieferung. Das bestellte Papier war viel zu dünn, das Produkt taugte nur für die Tonne. Da standen die jungen Unternehmer vor ihrer angemieteten Garage mit über tausend unverkäuflichen Kalender. Was tun? Joana setzte sich mit ihrer Idee durch, jedem einzelnen Käufer eine handgeschriebene Entschuldigung zu schicken. Auch als nach einigen Stunden erst eine verschwindend geringe Menge an Briefe geschrieben worden war und Niklas vorschlug, das Schreiben auf den Scanner zu legen, blieb seine Frau hart. Das Briefeschreiben hat mit einem Team von zusammengetrommelten Freunden letztlich etwa drei bis vier Tage gedauert. „Das Spannende dabei war, dass die Leute das Schreiben auf Instagram gepostet haben und andere wissen wollten, wie man einen solchen Brief bekommt. Da habe ich als Jura-Student verstanden, was das Bauchgefühl ist, das eine Marke ausmacht. Es sind unsere Werte und die Kommunikation mit den Leuten auf Augenhöhe, die da reingeflossen sind.“ Außerdem wurde durch die ganze Aktion eine lokale Druckerei auf die jungen Unternehmer aufmerksam, die den Kalender nach den Vorstellungen von Niklas und Joana umsetzte. Nachdem der Magen beim Öffnen des ersten Kartons mit den gelieferten Kalendern ins Bodenlose absackte oder dem „Nach dem Auffahrunfall“-Gefühl, wie Niklas es nannte, war diese verunglückte Aktion im Nachhinein ein Glücksfall.
Die Interaktion mit den Followern, oder besser Kunden ist, weiterhin wesentliches Merkmal der Brands. „Wir beteiligen die Leute am Entstehungsprozess neuer Produkte und fragen sie beispielsweise, welche Farbe sie für einen Kalender lieber hätten und lassen sie per Voting System abstimmen.“
Online & stationär
„Heinen Lovebrands“ erzielt entgegen des Branchentrends bei Papier, Bücher, Schreibwaren und Geschenke den Großteil seines Umsatzes online. Insgesamt ist die Branche bei 5 Prozent angelangt. „Und das wird auch immer so bleiben, der stationäre Handel wird in diesem Bereich nie aussterben“, ist sich Niklas Heinen sicher. „Denn die Menschen wollen die Produkte anfassen und vielfach auch beraten werden.“ Also startete „Heinen Lovebrands“ mit „odernichtoderdoch“ einen stationären Versuch in Berlin, als Pop-up-Store in der Concept Mall Bikini. Die sechs Monate dort waren ein voller Erfolg. Und so kam es zu der Kooperation mit Thalia. In ausgewählten Filialen ist „odernichtoderdoch“ vertreten, immer als Sortiment, nie mit einzelnen Produkten. Für den kleineren stationären Einzelhandel wurde eigens ein Möbel in Form eines Hauses als Warenträger entworfen, das den Händlern kostenfrei zur Verfügung gestellt wird.
Im Bereich online kooperiert „Heinen Lovenbrands“ mit Amazon – neben dem eigenen Online-Shop. Auf der Plattform wird Verkauf und Lieferung abgewickelt. Die zweite Marke von „Heinen Love Brands“ ist „JO & JODY“ – die lifestyligere und weniger verspielte Variante von „odernichtoderdoch“.
Was in einer angemieteten Garage begann, setzt sich nun in einem großen Büro im Hafen von Münster fort. Mit mittlerweile rund 50 Mitarbeitenden und einem achtstelligen Umsatz. Man darf gespannt sein, wie es mit „Heinen Lovebrands“ weitergeht.
Text: Eike Birck
Fotos: Sarah Jonek
Kommentare zu den Veranstaltungen sind den Mitgliedern des Marketing Clubs OWL Bielefeld vorbehalten.