Hätte man das der Sparkasse zugetraut? „Wir sind nicht die digitale Bank“, erklärt Michael Fröhlich, Vorstandsvorsitz von Bielefelds ältestem Kreditinstitut zu Beginn des spannenden Vortragsabends des Marketing Clubs OWL Bielefeld, „aber wir arbeiten mit Volldampf an der Digitalisierung. Dabei wollen wir aber zugleich durch die 35 Filialen vor Ort den persönlichen Kontakt zu unseren Kunden erhalten. Vertrauen funktioniert nur durch den Blick in die Augen.“
Um die Herausforderungen der Zeit zu meistern, bedarf es nicht nur neuer Produkte, sondern auch einer veränderten Kommunikation. Silke Lehm, Leiterin Marketing-Kommunikation beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband erläutert den Wandel. „Wir haben festgestellt, dass viele Kunden nur noch ein Mal im Jahr tatsächlich in eine unserer Filialen gehen, aber rund 30 Kontakte über unsere App haben.“
Bei einer groß angelegten Befragung zur Wahrnehmung der Marke stand am Ende: nah und konservativ. Dabei stand „nah“ jedoch nicht für menschliche Nähe, sondern vielmehr für „in der Nähe“. „Das hat uns überrascht“, so Silke Lehm. „Für unsere Markenpositionierung haben wir drei Aspekte herausgearbeitet. Wir wollen die Menschen verstehen, Zukunft denken und Sicherheit geben.“ Daraus entstand die Vision mit dem Slogan: „Wir machen es den Menschen einfach, ihr Leben besser zu gestalten.“
Zu dem Einfach-Gedanken passte das 2016 eingeführte „Kwitt“, um kleinere Beträge bis zu 30 Euro von Handy zu Handy zu versenden. Sehr praktisch, wenn man mit den Kollegen in der Mittagspause essen geht und einer den gesamten Betrag bezahlt. Man kann aber nicht nur Geld versenden, sondern auch mittels einer Nachricht an den Kollegen Geld anfordern.
Brachial durch die Wand
Und hier kommt in der Kommunikation, die besonders eine junge Zielgruppe ansprechen sollte, „Der Bote“ ins Spiel. In einem TV-Spot bricht Christian – so sein richtiger Name – tatsächlich bei einem verängstigten Studenten durch die Wand und macht ihn darauf aufmerksam, dass er einem Freund noch Geld schuldet. „Wir haben lange in der Gruppe diskutiert, ob wir das so brachial angehen können“, erinnert sich die diplomierte Betriebswirtin, „aber wir haben gesagt, wenn wir das machen, dann richtig.“ Und da die Figur des Boten so überzogen wirkt, wird das Augenzwinkern sehr schnell deutlich. Zu einer Erfolgsstory wurde das automatisierte und personalisierte Storytelling im Messenger mit dem „Boten“. Zwei Storys waren nah am Produkt und die anderen drei sollten einfach Spaß machen. So konnten beispielsweise Grüße versendet oder zu Partys eingeladen werden. Insgesamt wurden 135.000 Videos verschickt und Bekanntheit aufgebaut. Bei den Geld-Senden-Transaktionen über Kwitt konnte eine Steigerungsrate von 22 Prozent verbucht werden. Für die Kampagne erhielt die Sparkassen-Gruppe 2017 u. a. den Annual Multimedia Award und den Digital Communication Award.
Kwitt ist Teil der Sparkassen-App – wie auch Linda. Der weibliche Bot ist für den Service zuständig und so programmiert, dass sie etwa 1.000 Fragen beantworten kann. Bisher kam Linda in einem Testlauf in zehn Sparkassen zum Einsatz. Für die Kunden ist der Bot 24/7 im Einsatz. Linda ist schnell und ein Feedback der Kunden war, dass es Spaß macht, mit Linda zu chatten, da die Programmierer ihr ein paar menschliche Züge verpasst haben. Bei den 1st-Level-Support-Anfragen konnte Linda 73,5 Prozent der Kundenanliegen klären. Kann sie das nicht, leitet sie an einen Berater aus Fleisch und Blut weiter, der durch Linda gesamt gesehen mehr Zeit für persönliche Gespräche mit den Kunden hat. Im Anschluss an den Vortrag diskutierten die Mitglieder und Gäste des Marketing Clubs noch lebhaft weiter. Klar ist, die Digitalisierung treibt alle Branchen um.
Text: Eike Birck
Fotos: Susanne Freitag
Kommentare zu den Veranstaltungen sind den Mitgliedern des Marketing Clubs OWL Bielefeld vorbehalten.