Employer Branding & Recruiting in Zeiten von Fachkräftemangel am Beispiel der Hotellerie

28. November 2022
LÉGÈRE HOTEL Bielefeld

Employer Branding & Recruiting in Zeiten von Fachkräftemangel am Beispiel der Hotellerie

Was nicht und was vielleicht geht

„Es ist ein Thema, das alle Branchen massiv beschäftigt“, stellt Vorständin Sabine Schoner zu Beginn der Veranstaltung treffend fest. Die Mitglieder und Gäste des Marketing Clubs OWL Bielefeld waren zu Gast im LÉGÈRE HOTEL, um Thilo Schrewes Ansätze zum Thema Employer Branding, Recruiting sowie Personalbindung zu hören.

 

Mit 20 Jahren Führungserfahrung in der internationalen Hotellerie hat der General Manager schon so einiges gesehen. Länder, Stars, Krisen, Generation Boomer, X, Y, Z und ganz aktuell Alpha. Seine Aufgabe ist es, funktionierende Teams zusammenzustellen – und dafür braucht man schlicht gute Mitarbeitende. Nicht so einfach in einer Branche, die für lange Arbeitszeiten, Schicht- und Wochenenddiensten bekannt ist.

Seit 2019 ist Thilo Schrewe für die Fibona GmbH tätig. Das Familienunternehmen ist an sechs Standorten mit acht Hotels vertreten und beschäftigt insgesamt 250 Mitarbeitende. In Bielefeld gibt es mit dem LÉGÈRE HOTEL ein Vier-Sterne Full Service Haus und mit dem LÉGÈRE EXPRESS ein Drei-Sterne-Haus mit Focus Service. Insgesamt verfügen die beiden Häuser über 232 Zimmer und stellen damit das größte Kontingent der Stadt. Zu Beginn seines Vortrags schildert er den Status quo. Eine Schwierigkeit in der Hotellerie sei die Fluktuation. Im Durchschnitt bleiben die Mitarbeitenden lediglich zwei Jahre auf derselben Position. Große Hoffnungen setzt Thilo Schrewe daher auf den neuen Tarifvertrag für die Branche. Nach einer Betriebszugehörigkeit von 4,5 Jahren ist künftig eine kräftige Gehaltserhöhung fällig. Für den General Manager ist dies auch ein Zeichen der Wertschätzung, die für ihn zur Bindung von Mitarbeitenden dazugehört. Durch Corona hat sich vieles im Bereich der Gastronomie und Hotellerie verändert. Eine stärkere Abwanderung – auch in die Industrie – war zu verzeichnen. Ein weiteres Problem sei die massive aktive Abwerbung – sowohl aus der Branche selbst als auch aus anderen Wirtschaftszweigen. Mitarbeitende aus der Gastronomie und Hotellerie sind als Quereinsteiger gefragt, weil sie eine gewisse Leidensfähigkeit mitbrächten und gut im Kundenkontakt seien. Insbesondere die Phase während der Pandemie mit Kurzarbeit hat einen Stop-and-Go-Prozess in Gang gebracht, der sich auf das Team auswirkte. „Ein Großteil derjenigen, die gern in der Gastronomie und Hotellerie tätig sind, haben ein bestimmtes Selbstverständnis und einen Kodex im Hinblick auf die eigene Arbeit: Sie sind stolz in der Frühe zu arbeiten, sie sind stolz abends lange zu arbeiten und haben eine Leidenschaft für ihren Job.“ Während der Pandemie wurden die Mitarbeitenden nach Hause geschickt, aktiviert, wieder nach Hause geschickt und wieder aktiviert. Dieser Prozess habe den Kodex erschüttert. Außerdem bestand die Befürchtung, dass es nun mit der Kurzarbeit so weitergeht. Die Fibona GmbH hat gleich zu Beginn der Kurzarbeit ihren Mitarbeitenden einen Zuschuss gezahlt. So konnten viele Kolleginnen und Kollegen gehalten werden.

 

Flexibilität gefragt

 

Was in Bezug auf Employer Branding und Recruiting nicht geht, fasst Thilo Schrewe kurz zusammen. Nichts tun und warten, dass die Bewerber schon kommen werden, ist heute ein No-go. Sich nicht darüber zu informieren, welche Anforderungen – insbesondere die Generationen Z und Alpha – an ihren Arbeitgeber und an ihre Arbeit stellen, geht ebenfalls nicht. Thilo Schrewe stellt bei den jüngeren Generationen einen Wertewandel fest. Das sollte bei der Ansprache berücksichtigt werden. Aber der Fokus liegt nicht ausschließlich auf der jungen Generation. Die Einbindung von

älteren Mitarbeitenden und ihren Erfahrungen könnte in einem Team einen guten Gegenpol bilden.

Ein weiteres No-go ist es, keine Strategie zu haben. Es muss klar sein: Was will ich erreichen? Qualität ist ganz klar das Ziel, aber dieses müsse auch aus kaufmännischer Perspektive betrachtet werden. Welche Kompromiss bin ich bereit einzugehen? Ein großer Fehler wäre es, die Bestandsmitarbeiter zu vernachlässigen. „Unsere Branche ist People's Business. Und das gilt auch für die Mitarbeitenden“, sagt Thilo Schrewe. „Ich muss die Bereitschaft zum Zuhören und Helfen haben.“ Ein weiterer Aspekt, der im Bereich Employer Branding und Recruiting nicht geht, ist, wenn man nicht bereit sei, Fehler zu machen.

Anschließend schildert Thilo Schrewe Ansätze, wie es vielleicht gehen könnte, erfolgreich Teams zusammenzustellen. An erster Stelle nennt er das Finden neuer Wege – Think out of the box. Dazu gehört das Schalten von Anzeigen auf für die Branche eher unüblichen Kanälen. Als zweiten Aspekt nennt der General Manager die Bereitschaft, Arbeitszeitkonzepte auf den Prüfstand zu stellen. Ab 1. Januar 2023 können alle Mitarbeitenden der Fibona GmbH ihre Arbeitszeit im Rahmen einer 4-Tage-Woche absolvieren. In Bielefeld wurde die 4-Tage-Woche bereits zwei Wochen lang erprobt. Das Ergebnis war ernüchternd, denn um die erforderliche Stundenzahl zu absolvieren, ist eine Pause von einer Stunde verpflichtend, kann ein Arbeitstag mit An- und Abreise bis zu 14 Stunden lang sein. Dafür hätten die Mitarbeitenden drei Tage frei. Das müsse der Mitarbeitende selbst entscheiden. Wichtig sei es, bei Arbeitszeitmodellen flexibel zu denken. Das 4-Tage-Woche-Modell habe auf jeden Fall für Reichweite gesorgt. Aus eigener Erfahrung weiß Thilo Schrewe, dass es für ein Unternehmen wichtig ist, eine kommunizierbare Vision/Mission zu haben. Für junge Menschen sei das Thema Nachhaltigkeit von großer Bedeutung. „Es stellt sich die Frage, was gebe ich meinen Leuten mit, was sinnstiftend ist“, sagt der General Manager. Weiterhin ist es entscheidend, Mitarbeitende durch entsprechende Fort- und Weiterbildungsprogramme zu entwickeln und Prämiensysteme anzubieten. „Diese Maßnahmen sind auf den ersten Blick kostspielig, aber dafür spare ich beim Recuiting“, unterstreicht Thilo Schrewe die Bedeutung der Mitarbeiterbindung. Ein weiterer Aspekt ist der Fokus auf die Produktqualität. Ist das Produkt stylisch, finden das insbesondere junge Leute für sich erstrebenswert. Empathie, Wertschätzung, gut zuhören können, sind das A und O, um Mitarbeitende im Unternehmen zu halten. Thilo Schrewe rät dazu, den Fokus auf die Abteilungsleiter zu legen, denn gerade der Mittelbau halte das Team zusammen. Außerdem sollte es zur Strategie gehören, Sichtbarkeit bei den relevanten Zielgruppen zu erzielen. „Die Leute, die 16 Stunden arbeiten und stolz darauf sind, die gibt es nicht mehr“, so der Manager. Im Bereich Housekeeping, Rezeption und Sales setzt er auch auf Quereinsteiger. Um die Reichweite zu erhöhen setzt das  LÉGÈRE z. B. auf die Instagruppe BIE Talented. Im Anschluss an den Vortrag gab es noch eine lebhafte Fragerunde. Die Diskussion wurde bei gepflegten Kalt- und Heißgetränken und leckeren Häppchen fortgesetzt.

 

Text: Eike Birck

Fotos: Sarah Jonek

 

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