Sein Eindruck wurde von Dr. Maribel Illig, Geschäftsführerin Berufsbildungszentrum der Handwerkskammer und Projektleiterin des Neubaus am Bahnhof, bestätigt. „Wir wollten mit unserem neuen Gebäude nicht nur eine moderne Ausbildungsstätte, das Forum Technik und unseren Verwaltungssitz als Kammer unter einem Dach vereinen, sondern ganz bewusst ein Schaufenster zum Handwerk schaffen“, so die Volkswirtin. Und so wurden die Werkstätten gläsern, man kann Elektrikern, Bäckern und Co. bei ihrer Arbeit zuschauen. Abends werden die Fenster analog zu den Farben des neuen Logos der Handwerkskammer illuminiert. „Ich habe schon häufig beobachtet, dass die Menschen bei ihrem Spaziergang durch das Bahnhofsviertel stehenbleiben und in die Fenster gucken“, freut sich Dr. Maribel Illig. „Und wenn wir so immer nur ein, zwei Jugendliche für eine Ausbildung im Handwerk begeistern können, haben wir unser Ziel erreicht.“
Das Gebäude mit seiner markanten Brücke symbolisiert die Verbindung zwischen Tradition und Moderne, bildet die bunte Vielfalt und die Faszination des Handwerks ab, das sich selbstbewusst als „Wirtschaftsmacht von nebenan“ präsentiert. Handwerk als starker Arbeitgeber eines starken Wirtschaftszweigs.
Dr. Jons Messedat, Architekt und Industriedesigner aus Stuttgart plädiert in seinem Vortrag für eine engere Zusammenarbeit von Architektur und Marketing. Für ihn steht Corporate Architecture für die gebaute Identität von Unternehmen, Marken und Institutionen. „Räume ohne Identität sind Nicht-Orte“, sagt er eingangs und zeigt Beispiele von Firmengebäuden, bei denen das Marketing das Gebäude überdeckt. Das Ziel, dem Eigentümer einer Firma/eines Unternehmens, Sichtbarkeit zu verschaffen, kann zu einer funktionierenden Marketingmaßnahme werden, wie das Beispiel der Rimowa Kofferfabrik zeigt. Bekannt als „der Koffer mit den Rillen“ wurde dieses Gestaltungselement für die Fassade des Firmensitzes in Köln in den 1980ern Jahren aufgegriffen.
Anforderungen steigen
In den 1990ern rückte die Architektur stärker in den Vordergrund – nicht zuletzt durch den sogenannten Bilbao-Effekt. Die gezielte Aufwertung von Orten, z. B. Museen, durch spektakuläre Bauten von Architekten zeigt dem Betrachter: „Ich bin mehr als ein Museum.“ Ein Konzept, dass auch für einzelne Produkte greift. Die Frage ist, wie oft das funktioniert, ohne dass der Marketingeffekt verpufft.
Dr. Jons Messedat setzt auf Identität, wie das Beispiel des Umbau des Reichstagsgebäudes zum Sitz des Deutschen Bundestages zeigt, das er während seiner Tätigkeit bei Sir Norman Foster & Partners begleitete. Die gläserne Kuppel steht für die Transparenz der Politik.
Die Anforderungen an die Architektur steigen. Durch den gesellschaftlichen Wandel gibt es immer mehr Überschneidungen: von Freizeit und Erleben, von Handel und Präsentation, von Kultur und Bildung. Analog und digital verschmelzen. Neue Technologien müssen integriert und Waren nicht mehr zwangsläufig auf herkömmliche Weise präsentiert werden, denn die kann sich der Kunde im Internet anschauen. Online-Händler wie Amazon gehen offline – mit eigenen Stores. Und der Grill-Hersteller Weber, stellt in seinen Showrooms nicht einfach seine Produkte aus, sondern lädt die Kunden in der „Grill Academy“ zu Seminaren ein.
Pop-up Stores als Teil des Guerilla Marketings kann als temporäre Architektur begriffen werden. Diese innovative Form des Marketings wird allmählich vom Mainstream adaptiert: vom subversiven Guerilla Marketing zur kuratierten Concept Mall, wie das Beispiel Berlin zeigt, wo bereits fest installierte Pop-up-Boxen gemietet werden können.
Die Schnittstellen von Architektur und Marketing werden immer enger. Aufgabe des Architekten sei es, Identität zu stiften, zu etablieren und zu bauen. Und die Haltung des Bauherren/Unternehmers zu spiegeln. „Das Ziel sind fundierte Corporate-Architecture-Konzepte, die zu einem selbstverständlichen Baustein der Unternehmenskultur werden“, betont Dr. Jons Messedat. „Dann bildet die gebaute Identität einen entscheidenden wirtschaftlichen und kulturellen Mehrwert.“
Text: Eike Birck
Fotos: Mike-Dennis Müller
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