Nachdem die 14 Programmkoordinator*innen die muntere Runde in regionaltypischem Zungeschlag begrüßt hatten, meldete sich ein gut aufgelegter Tarek Müller mit einem „Moin“ aus St. Pauli und präsentierte die Bewerbungsfolien zum Deutschen Marketing Preis 2020, die im zweiten Anlauf zum Erfolg führten. Stefanie Brandes, Geschäftsführerin Aldiana GmbH und Jurymitglied, sagte in ihrer Laudatio: „ABOUT YOU sieht sich nicht nur als Mode Online Shop, sondern will mehr bieten und hat deshalb sehr stark in Content investiert. Modehändler und Medienhaus, das war von Anfang an die Strategie. Heute hat ABOUT YOU 30 Millionen aktive User und 6 Millionen aktive Käufer monatlich.“ Und wie das funktioniert erklärte der 32-Jährige in seinem Pitch. Zunächst hat ABOUT YOU die Zielgruppe genau definiert. „Wir haben uns im Wesentlichen auf junge Frauen im Alter von 18 bis 39 Jahren konzentriert, da Frauen das Konsumverhalten von Männern, und junge Menschen das Konsumverhalten der älteren beeinflussen.“ Heute ist ABOUT YOU in der jungen Zielgruppe bekannter als Zalando.
Kurs auf Expansion
Das Unternehmen ist mittlerweile in 23 Ländern erfolgreich am Markt. „Das eröffnete Raum für Experimente“, berichtet Tarek Müller. So wurde mal ein Schwerpunkt auf TV-Werbung, mal der Fokus auf Social-Media-Aktivitäten gelegt. Aber in jedem Land wurde im Grunde bei null gestartet. ABOUT YOU kann ein massives Wachstum verzeichnen, 2020 wurde ein Nettoumsatz von 1 Milliarde Euro erzielt. Seit 2019 arbeitet der Online-Händler profitabel in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Vision, den Shopping-Bummel digitalisieren zu wollen, zahlt sich aus. „Wir verstehen Mode als Sprache und wollen dabei helfen, dass die Menschen sich mit ihrer Kleidung ausdrücken können. Was wir anziehen, sagt etwas über uns aus. Dabei gibt es kein Richtig oder Falsch. Es gibt keine Must-haves, wie es von Modezeitschriften propagiert wird. Es gibt nur ein ,Passt zu dir'“, erklärt der CEO, der sich selbst ausdrücklich nicht als Fashionista bezeichnet und am liebsten schwarze T-Shirts trägt. Ziel des Unternehmens sei es, die globale Nummer 1 in Fashion zu werden. „In Deutschland sagt man so etwas ja eigentlich nicht“, so der Unternehmer. „Und auch wir haben uns zunächst mit dieser Aussage schwergetan.“ Aber nun wird diese Zielsetzung, dieses Commitment zum Wachstum, konsequent kommuniziert und angegangen.
Markenaufbau
Noch vor einigen Jahren lief der Markenaufbau vorwiegend über Werbung im Fernsehen, um eine Marke in den Köpfen der Menschen zu verankern. Allerdings schwindet die Bedeutung des Fernsehens. Insbesondere die jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren nutzen das Fernsehen heute als second screen, während das Smartphone als first screen fungiert. „Beim Werbeblock guckt kaum noch jemand hin“, stellt Tarek Müller fest. Deshalb setzte ABOUT YOU beim Markenaufbau auf verschiedene Kanäle: TV (25 %), Social Media Ads (15 %), Storytelling via Social Media (35 %) und andere, wie zum Beispiel Display-Werbung (25 %). Für den Bereich Storytelling hob der 32-Jährige die Bedeutung von exklusivem und besonderem Content für die eigene Homepage hervor. Außerhalb der eigenen Plattform arbeitete das Hamburger Unternehmen eng mit Influencern zusammen, um authentische Geschichten über ABOUT YOU zu erzählen und zu verbreiten. „Wichtig ist, wie die Influencer über uns sprechen“, betont Tarek Müller. „Es müssen Dinge sein, die cool sind, echt rüberkommen – da ist die Community sehr sensibel – und man muss den Influencern entsprechend Futter geben.
ABOUT YOU hat eigene Formate, wie z. B. Fashion Duell, Style your Star oder die ABOUT YOU Awards kreiert. Denn für gutes Storytelling braucht es zum einen kreative Ideen (authentische Storys, echte Protagonisten, Emotionen und Erfahrungen sowie unvergessliche Momente) sowie das nötige Budget, um das professionell durchzuziehen. „Digital heißt nicht, dass das billiger als Fernsehwerbung ist – ganz im Gegenteil“, sagt Tarek Müller. Das Performance Marketing Team steuert alle Marketing-Kampagnen – sowohl online als auch offline. Um Tendenzen im Markt frühzeitig zu erkennen, arbeitet ABOUT YOU Daten- und KPI- getrieben
Fragen über Fragen …
Bereits während des Vortrags schrieben viele Mitglieder ihre Fragen in den Chat, die Moderator Kai Weidlich gebündelt an Tarek Müller weitergab. Die Erste zielte darauf ab, ob regionale bzw. länderspezifische Eigenheiten beim Markenaufbau berücksichtigt werden. „Wir machen in jedem Land dasselbe“, so der CEO. „Nur was jeder beim Aufrufen der Website sieht, ist unterschiedlich. Ein Algorithmus schneidert die Angebote 1:1 zu, so dass die Kunden zuerst das sehen, was sie wahrscheinlich am meisten interessiert. Das Angebot ist aber überall gleich, nur die Reihenfolge, wie die Produkte angezeigt werden, ändert sich. In der globalisierten Welt nutzen alle dasselbe , also können wir auch alle denselben Online-Shop nutzen. Gerade die letzten Monate haben gezeigt, wie schnell wir uns an Neues (Netzflix, Insta, Zoom und Co.) gewöhnen. Die Herausforderung besteht darin, möglichst als Erster die Relevanz neuer Trends zu erkennen und zu nutzen. Vor einigen Jahren hätten wahrscheinlich nur wenige geglaubt, dass wir heute 80 Prozent unserer Umsätze über das Smartphone erzielen.“
Eine andere Frage betraf den Trend, dass Konsumenten deutlich weniger für Kleidung ausgeben als zuvor und ob das auch ABOUT YOU beträfe. „Kleidung war wahrscheinlich der einzige E-Commerce-Bereich, der in den vergangenen 12 Monaten nicht durch die Decke gegangen ist“, so Tarek Müller. „Aber es konnte ein stabiles bzw. leichtes Wachstum verzeichnet werden.“
Und wie sieht es mit dem Thema Nachhaltigkeit aus? „Zum einen hat sich die Nachfrage der Konsumenten erhöht. Allerdings ist die Lautstärke höher als das, was letztlich gekauft wird. Per Filter können nachhaltig produzierte oder Second-Hand-Produkte gefunden werden. Auch für unsere Mitarbeiter, die meisten sind unter 30, ist das ein Riesenthema, das wir natürlich auch aus eigener Überzeugung verfolgen. Wir versuchen, unseren CO²-Footprint zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft zu forcieren. Wir haben unsere Verpackungen auf umweltverträglichere Kartonagen mit weniger Farbe umgestellt. Was nachhaltig produziert wird, versuchen wir zu pushen, aber wir wollen nicht in Schönheit sterben. Es wird weiterhin T-Shirts für 10 Euro geben. Wer das nicht tut, wird irrelevant, insolvent und dann kann man gar nichts mehr verändern. Viel wichtiger finde ich es, dass Kleidung länger getragen bzw. nicht weggeworfen werden sollte. Wir sollten Kleidung weitergeben, verkaufen oder recyclen. Das ist meiner Meinung nach der größte Hebel, um weniger Kleidung zu produzieren und trotzdem weiterhin die Möglichkeit haben, uns immer wieder neu zu erfinden.“
Wahrscheinlich hätte die Fragerunde noch bis Mitternacht dauern können. Angesprochen auf seine politischen Ambitionen für eine Zeit nach ABOUT YOU verriet Tarek Müller, dass er sich gut vorstellen könnte, eines Tages eine neue Partei zu gründen und Bürgermeister von Hamburg zu werden. „Ich freue mich auf den Wahlkampf“, lacht der sympathische 32-Jährige, der bis dahin aber noch jede Menge mit ABOUT YOU vorhat.
Text: Eike Birck
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